Legasthenie oder Dyskalkulie ist keine Krankheit oder Behinderung!

Vorausschickend, eine Legasthenie oder eine Dyskalkulie ist weder eine Krankheit noch eine Behinderung, sie wird vielmehr durch eine differente Wahrnehmung eines Menschen hervorgerufen. Einfach gesagt, empfinden, sehen und hören legasthene/dyskalkule Menschen ein bisschen anders als andere. Die Erscheinungsform dieser anderen Wahrnehmung ist es aber, die zu den Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen führt und die Menschen, welche nicht mit diesem Problem vertraut sind, glauben lässt, dass es sich deshalb, um es vorsichtig auszudrücken, um einen minderbegabten Menschen handelt. 

Legasthenie-Dyskalkulie

Was soll man auch von jemandem halten, dem man mindestens schon zwanzig Mal ein einziges Wort beizubringen versucht hat? Der es einige Male richtig schreibt, dann aber wieder fehlerhaft? So jemanden für idiotisch zu erklären, fällt natürlich leichter, als sich über die Hintergründe zu informieren. Dies passiert auch dann meistens nicht, wenn man sehr wohl merkt, dass der Mensch, den man vor sich hat, oft überdurchschnittlich gute Gedankengänge hat.

Er verfügt offensichtlich über außergewöhnlich gute technische Ideen, ist unglaublich kreativ, hat eine hohe Auffassungsgabe, eine oftmals schier unglaubliche Merkfähigkeit, man denke nur an die Lesebücher, die mühelos auswendig gelernt werden. Leider wird in unserer Gesellschaft hundertmal mehr auf die Kulturtechniken des Lesens, des Schreibens oder des Rechnens Wert gelegt anstatt auf andere Talente. Dabei, seien wir doch ehrlich, wer ist denn schon in der deutschen Rechtschreibung nach der Reform und der Reform der Reform wirklich noch perfekt?

Wir täten gut daran, die besonderen Qualitäten der Betroffenen zu erkennen und nicht ständig auf den Fehlern herumzuhacken. Sie vor allem zu fördern, ihnen aber auch mental dabei zu helfen, über die Hürden der Kulturtechniken leichter hinwegzukommen, dies wäre wohl besonders wichtig. Hatte die Ansage hundert Wörter und gab es acht Fehler, wurden dann nicht zweiundneunzig richtig geschrieben?

Aber besonders die Rechtschreibung, oder auch Richtigschreibung genannt, ist für manche eine heilige Kuh und das Beurteilungskriterium für die Intelligenz eines Menschen schlechthin. Ein wenig engstirnig, oder? Tatsächlich haben Schreib-, Lese- oder Rechenkenntnisse absolut nichts mit der tatsächlichen Intelligenz eines Menschen zu tun. Dafür gibt es unzählige Beispiele.

Wobei natürlich damit nicht in Zweifel gezogen werden sollte, dass die Kenntnis von grundlegenden Schreib-, Lese- oder Rechenkenntnissen im gesamten Leben hilfreich ist und deshalb erlernt werden sollte. Doch ist es abzulehnen, diese Kenntnisse als Maßstab für den Wert eines Menschen herzunehmen, was tatsächlich so oft passiert.

Wir würden viele tolle Talente nicht verschwenden, wie es zur Zeit der Fall ist, sondern für unsere Gesellschaft nützen. Wie lange können wir es uns denn noch leisten, solche Talente zu verheizen? Tatsache ist, dass Legasthenie oder Dyskalkulie nicht sichtbar ist. Alles, was der Mensch nicht sehen kann, wird oft in Zweifel gezogen.

Wir haben für sprachbehinderte, für seh- oder hörbehinderte Kinder in unserem Schulsystem bestens vorgesorgt. Sie bekommen eine spezielle Förderung. Obwohl die differente Wahrnehmung nicht als Behinderung anzusehen ist, bräuchten diese Kinder in der Schule auch einen speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichteten Unterricht. Ihr Pech ist es nur, dass sich die Symptomatik bei ihnen lediglich in ihren Fehlern beim Lesen, Schreiben oder Rechnen widerspiegelt. Ihre speziellen Bedürfnisse werden nicht erkannt. Mit Vorurteilen, wie „Das Kind übt zu wenig!“ oder „Es ist einfach zu dumm, sich das von ihm Geforderte zu merken!“ oder „Einfach schlampig!”, ist man schnell bei der Hand. So mancher Lehrer konnte Eltern schon glaubhaft machen, dass sie eben ein „schwaches“ Kind haben.

So wird versucht, ihnen durch mühsames, vermehrtes Üben zu helfen. Diese Maßnahmen verursachen aber nur noch mehr Probleme, vor allem psychische, da man damit dem Kind ständig vor Augen führt, was es nicht kann, bzw. vom Kind etwas verlangt, das es nicht leisten kann. Vermehrtes Üben allein hat bei legasthenen oder dyskalkulen Kindern noch nie zum gewünschten Erfolg geführt.

BEITRAG AUS “DER LEGASTHENE MENSCH”   ISBN 978-3-902657-08-4

Zur pädagogischen Definition für Schreib-, Lese- und Rechenprobleme bzw. Legasthenie und Dyskalkulie

Einheitliche allgemein gültige Definitionen, welche die verschiedenen Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme ausreichend beschreiben würden, gibt es bis heute nicht.

Pädagogische Definition für Schreib-, Lese- und Rechenprobleme bzw. Legasthenie und Dyskalkulie:

„Ein legasthener/dyskalkuler Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders wahr, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene/dyskalkule Menschen. Dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens.“ 

Dr. Astrid Kopp-Duller, 1995

Legasthenie ist wohl ein wesentlich umfassenderes, komplizierteres, komplexeres Gebiet als das Wort auszudrücken vermag.

„Legasthene und dyskalkule Menschen haben eine besondere Informationsverarbeitung und dadurch bedingt eine besondere Lernfähigkeit, welche an die pädagogisch-didaktische Interventionsebene hohe Anforderungen stellt.“

Dr. Astrid Kopp-Duller, 2005

Frau Dr. Schenk-Danzinger hat immerhin in ihrer Definition, die auch heute noch richtungsweisend ist, zusätzlich zu den Leseproblemen Schreibprobleme miteinbezogen, doch liegt auch bei genetisch bedingten Rechenproblemen die gleiche differente Wahrnehmung eines Menschen zu Grunde. Warum es sich einmal im Lese- oder/und Schreibbereich auswirkt, dann wieder im Rechenbereich, vermag wohl niemand mit Sicherheit zu sagen. Tatsache ist aber, dass alles, was für Kinder mit Legasthenie gilt, auch für jene mit Dyskalkulie gilt.

Die differente Aufmerksamkeit und differenten Funktionen oder Teilleistungen, sogenannte Sinneswahrnehmungsleistungen, lassen Fehler beim Schreiben, Lesen oder Rechnen entstehen.

“Der Name Legasthenie ist nicht sehr glücklich gewählt!“ oder “Legasthenie gibt es ja gar nicht“. Solche und noch andere eigenartige Aussprüche kann man da und dort immer wieder hören. Zumeist steckt lediglich Unwissenheit oder auch Hilflosigkeit gegenüber dem Problem, mit Betroffenen nicht erfolgreich umgehen zu können, dahinter.

Aber wie schon William Shakespeare in seinem weltberühmten Drama „Romeo und Julia“ sinngemäß sagte, „… wie immer die Rose auch heißen würde, es vermag nichts daran zu ändern, dass sie wundervoll duftet …“.

Tatsache ist, dass die Problematik existiert, dass es Menschen gibt, die das Schreiben, Lesen oder Rechnen, trotz ausreichender Intelligenz, nicht oder nur sehr langsam, mit größter Mühe, erlernen können. Wie man aber die Problematik benennt, ist tatsächlich eine andere Sache. Erleichternd für alle, die damit zu tun haben, wäre natürlich, wenn es einheitliche und allgemein gültige Definitionen geben würde.

Da die Verursachungen von und auch die Hilfestellungen bei Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen unterschiedlich sein können, ist es angebracht, auch unterschiedliche Begriffe zu verwenden. So werden Schreib- und Leseprobleme, welche eine genetische Verursachung haben, als Legasthenie, erworbene als Lese-Rechtschreibschwäche bezeichnet. Gleichfalls werden Rechenprobleme, welche eine genetische Verursachung haben, als Dyskalkulie, erworbene als Rechenschwäche bezeichnet. Auf die notwendigen unterschiedlichen Förderansätze wird noch eingegangen werden.

Aber zurück zu Shakespeare. Mit Drama allerdings hat das Wort Legasthenie tatsächlich etwas gemein, aber auch mit der Rose. Legasthenie ist eine Gabe, kann aber auch ein ganz besonders schlimmer Klumpfuß für den Betroffenen und seine Umgebung sein.

Obwohl man schon seit zirka 120 Jahren wissenschaftlich diesem Phänomen auf den Grund zu gehen versucht, ist es aber leider immer noch für viel zu viele Menschen ein Wort, das in ihrem Sprachschatz nicht vorkommt bzw. von dem sie nicht wissen, was sie damit anfangen sollen, auch wenn sie direkt oder indirekt davon betroffen sind.

Betrachtet man heute die Entwicklung der Forschung, so fällt auf, dass es ein ewiges Hin und Her war. Von Bemühungen, herauszufinden, was die Ursachen sind, bis hin zur versuchten Zerstörung des Erforschten, alles kann man finden.

Dienlich waren der Legasthenieforschung, als diese sehr weit gediehen war, jene Pseudogelehrten gerade nicht, die plötzlich behaupteten, so etwas wie Legasthenie gäbe es nur in den Köpfen reicher Leute, die diese Bezeichnung als Ausrede für ihre dummen Kinder gebrauchten. Die Folge war eine große Verunsicherung vor allem bei Pädagogen oder Lehrern, die ja unmittelbar mit diesen besonderen Kindern in der Klasse zu tun hatten oder haben.

Und besondere Kinder sind legasthene oder dyskalkule Kinder allemal, das lässt sich tatsächlich behaupten, je mehr man mit diesen zu tun hat. Wenn man dann schon mit so vielen sehr eng zusammengearbeitet hat, wird die Bewunderung für ihre besondere Wahrnehmung und ihre umfassende Denkweise immer größer.

Trotzdem kann man im Zusammenhang mit Legasthenie von einer Problematik sprechen. Meistens werden diese hochbegabten Kinder von ihrer Umwelt völlig falsch verstanden, und dies führt nicht selten früher oder später zu großen Problemen innerhalb der Familie, aber auch vor allem in der Schule. Anfangs kann man bei einer Legasthenie oder Dyskalkulie nie von einem Krankheitsbild sprechen. Die Beobachtung zeigt, dass das Kind mit einer Primärlegasthenie oder -dyskalkulie (als Primärlegasthenie oder -dyskalkulie bezeichnet man die Problematik, wenn ein intelligenter Mensch das Schreiben, Lesen oder Rechnen mit den üblichen Schulmethoden nicht oder nur sehr langsam erlernt, ohne dass psychische oder physische Auffälligkeiten daran beteiligt sind oder sogar verursachend sind), wenn es auf gute Voraussetzungen trifft – z.B. auf einen Pädagogen, und auf den trifft es immer vor dem Psychologen oder dem Psychiater, welcher sich des Problems der Legasthenie oder Dyskalkulie bewusst ist und den Anforderungen des Kindes Genüge tut – nie zu einem Problemkind wird. Leider ist die Praxis eine andere.

Oftmals hat unsere Gesellschaft verhaltensauffällige Kinder geschaffen, für die sich aber keiner mehr zuständig fühlt. Hat man einer Legasthenie oder einer Dyskalkulie ein psychisches Problem aufgepflanzt, ist dieses wesentlich schwieriger zu bewältigen als die Legasthenie oder Dyskalkulie selbst. Dabei wäre es so leicht, auch diesen Kindern das Lesen, Schreiben oder Rechnen beizubringen. Denn wer behauptet, legasthenen oder dyskalkulen Kindern könnte man diese Kulturtechniken nicht beibringen, der irrt. Sie bräuchten nur Lehrmethoden, die ihrer besonderen Lernfähigkeit entgegenkommen, die ihnen z.B. alles bildlich und dreidimensional bringen, mehr Vertiefung als gewöhnlich, mehr Zeit und viel Lob.

Um nochmals auf den Begriff Legasthenie zurückzukommen, soll hier nur dazu bemerkt werden, dass mit diesem Ausdruck, mit dieser Bezeichnung, nicht die umfassende Problematik dieses Phänomens bedacht wird. Da es aber existiert, und wie immer man dies auch nennen möchte, ob differente Wahrnehmung, Lernstörung, Teilleistungsprobleme, um nur einige zu nennen, so ist doch immer das Problem eines Menschen damit gemeint, der es verdient, von uns anderen 85% der Menschen verstanden zu werden, und der schließlich auch ein Recht darauf hat.

Wichtig wäre es, doch davon Abstand zu nehmen, bei einer Legasthenie oder Dyskalkulie ohne Sekundärproblematik, der sogenannten Primärlegasthenie oder -dyskalkulie – es verstärken keine psychischen oder physischen Probleme die genetische Veranlagung, lediglich verlangen diese Menschen beim Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens nach einer auf ihre besondere Lernfähigkeit abgestimmten Methodik – ständig von Störung, Schwäche, Krankheit oder gar Behinderung zu sprechen. Eine nicht rechtzeitig erkannte Legasthenie oder Dyskalkulie und die damit zusammenhängende ständige schulische Überforderung kann auch zu Sekundärproblemen führen. 15 Prozent der Weltbevölkerung als „schwach“ oder „gestört“ zu bezeichnen, ist nicht legitim und äußerst vermessen.

BEITRAG AUS „DER LEGASTHENE MENSCH“   ISBN 978-3-902657-08-4 KLL VERLAG MÄRZ 2010

 

Zur Relevanz der pädagogisch-didaktischen Intervention bei Legasthenie/Dyskalkulie und anderen Schreib-/Lese- oder Rechenproblemen

Zur Relevanz der pädagogisch-didaktischen Intervention bei Legasthenie/Dyskalkulie und anderen Schreib-/Lese- oder Rechenproblemen

„Legasthene und dyskalkule Menschen haben eine besondere Informationsverarbeitung und damit verbunden eine besondere Lernfähigkeit.“

Legasthenie - LRS

Die Wissenschaft beschäftigt sich schon seit mehr als einem Jahrhundert mit dem Problem, warum sich bei manchen Menschen beim Erlernen des Schreibens und Lesens Probleme ergeben. Die Befassung mit der Dyskalulie oder anderweitig bedingten Rechenproblemen ist dagegen nicht älter als etwa 40 Jahre.

Der Umstand, dass sich vorerst Mediziner mit der Problematik befassten, führte dazu, dass man grundsätzlich davon ausging, dass Schreib- und Leseprobleme, später auch Rechenprobleme pathologisch, also krankhaft sind. Erst sehr spät, nachdem auch die Thematik von psychologischer Seite, auch vom pathologischen Gesichtspunkt als Krankheitsbild, aufgearbeitet worden war, setzte die pädagogische Forschung Schritte, wirksame Methoden zu entwickeln, um diesen Menschen eine individuelle Förderung zu ermöglichen, damit diese auch das Schreiben, Lesen und Rechnen erlernen können. Dieser neue Weg wird immer populärer, weil es wohl einleuchtend ist, dass man Schreib-, Lese- und Rechenproblemen zuerst auf pädagogisch-didaktischer Ebene begegnen muss. In denjenigen Fällen, wo diese Interventionen nicht ausreichen, werden selbstverständlich Fachleute aus den  Gesundheitsberufen mit einbezogen werden, damit ein umfassender und nachhaltiger Erfolg erzielt werden kann.

In der Praxis findet man viele Fälle, wo tatsächlich keine Intervention durch die Gesundheitsebene notwendig ist, sondern lediglich ein auf ihre Anforderungen abgestimmter pädagogisch-didaktischer Ansatz, damit das Schreiben, Lesen und Rechnen ausreichend erlernt werden kann. Man hat inzwischen erkannt, aber den Umstand noch nicht ausreichend gewürdigt, dass bei weitem nicht alle Menschen, welche Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme aufweisen, schwach, gestört, krank oder gar behindert sind, sondern dass lediglich die in den Schulen üblichen didaktischen Ansätze für sie nicht ausreichend sind, im Schreib-, Lese- oder Rechenbereich ausreichende Leistungen zu erbringen, wie es allgemein erwartet wird.

Man findet im deutschen Sprachraum keine einheitliche Bezeichnung, welche die umfassende Problematik beschreibt. Für eine gezielte Förderung ist es aber wichtig, dass die jeweilige Verursachung eruiert wird, denn nur dann kann auch eine gezielte individuelle Förderung stattfinden.

Es gibt keine in sich geschlossene Methode, die in jedem Falle zum Erfolg führt. Es gibt auch keine Methode, mit der sich in kurzer Zeit alle Probleme beseitigen lassen. Nur wenn eine individuelle, auf die Probleme des jeweiligen betroffenen Menschen abgestimmte Förderung stattfindet, die über einen längeren Zeitraum erfolgt, werden die gewünschten Verbesserungen eintreten.

Zwei Gruppen von Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme werden grundsätzlich unterschieden. Die Verursachung liegt bei der ersten Gruppe in einer genetischen Veranlagung, man spricht dann von einer Legasthenie/Dyskalkulie. Ein erfolgreiches Training muss in diesem Falle unbedingt neben der Schärfung von Sinneswahrnehmungen, die zum Schriftspracherwerb und für ausreichende Leistungen im Rechenbereich unbedingt notwendig sind, und die bei legasthenen/dyskalkulen Menschen eine differente Ausbildung haben,  eine bewusste Aufmerksamkeitsfokussierung bei der Beschäftigung mit den Kulturtechniken erlernt werden. Liegen keine physischen oder psychischen Sekundärproblematiken vor, so spricht man von einer Primärlegasthenie oder Primärdyskalkulie.

Bezüglich eines Trainings von Basisfunktionen bzw. Sinneswahrnehmungen gehen die Meinungen zwar auseinander. Geht man aber nur einen Schritt zur Seite und überlegt, auch unter Einbeziehung von Erfahrungen, die man in der praktischen Arbeit mit Kinder gemacht hat, ob es beim Schreiben, Lesen und Rechnen notwendig ist, dass man genau hinsieht und hinhört, um ausreichende Leistungen erbringen zu können, dann sollte es eigentlich zu gar keiner Diskussion kommen.

An der Notwendigkeit eines Funktionierens der Sinneswahrnehmungsleistungen für ein erfolgreiches Erlernen des Schreibens und Lesens, sollte man eigentlich nicht zweifeln. Schon Dr. Maria Montessori und später Dr. Jean Ayres haben erkannt, und durch Studien bewiesen, dass ausgebildete Funktionen relevant für schulische Leistungen sind, daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Leistungen aufmerksam hinzusehen und hinzuhören, wenn man schreibt, liest oder rechnet, sind legasthenen/dyskalkulen Menschen nicht zu eigen, weshalb man ihnen dies am besten in Form von Übungen, nahe bringen muss. Wichtig ist auch, dass man den Kindern die Notwendigkeit klar macht, dies beim Schreiben, Lesen und Rechnen zu tun und nicht darauf zu vergessen, weil es sonst zu Fehlern kommt.

Es gibt auch im deutschen Sprachraum zahlreiche Studien, die bestätigen, dass intakte Sinneswahrnehmungen dem reibungslos stattfindenden Schreib- und Leseprozess dienlich sind.

Das Sinneswahrnehmungstraining ist darauf ausgerichtet, dass Kinder z. B. lernen besser hinzusehen und hinzuhören und diesen Prozess automatisieren. Ganz klar ist zu beachten, dass sich mit einem gezielten Sinneswahrnehmungs-training keine Veränderungen im Gehirn ereignen. Diese sind auch nicht beabsichtigt! Ziel ist es, dass sich eine positive Veränderung im Umgang mit schulischen Tätigkeiten einstellt und das die Kinder lernen aufmerksam beim Schreiben, Lesen und Rechnen hinzusehen und hinzuhören. Es funktioniert ausgezeichnet und führt zum Erfolg und nur der zählt schließlich.

Bei legasthenen/dyskalkulen Menschen kann es, etwa durch das Nichterkennen der Problematik, die ständige Überforderung des Betroffenen, zu  Verhaltensauffälligkeiten kommen. Da spricht man von einer Sekundärlegasthenie.

Bei der zweiten Gruppe werden Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme erworben. Verschiedene Verursachungen, die physisch, also körperlich bedingte sind, etwa See- oder Hörprobleme, oder psychisch Ursachen haben. Die Ursache kann aber auch in der pädagogisch-didaktischen Methodik liegen. Man spricht in diesen Fällen von einer Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche. In diesem Falle muss neben einem gezielten Symptomtraining auch an der Verursachung gearbeitet werden.

Die Unterscheidung um welche Art der Schreib-, Lese- oder Rechenproblematik es sich handelt, wie es auch z.B. in Bayern gesetzlich festgelegt wurde, ist von großer Wichtigkeit, weil die Förderansätze in den beiden Bereichen unterschiedlich sein müssen.

Grundsätzlich sind die Pathologisierung der Gesamtproblematik und eine Verallgemeinerung abzulehnen. Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme sind in den seltensten Fällen krankheitsbedingt, sondern haben vielmehr damit zutun, dass das betroffene Kind einen gezielte Hilfe auf pädagogisch-didaktischer Ebene bekommen muss, damit das Schreiben, Lesen oder Rechnen ausreichend erlernt werden kann. Betroffene Menschen sind in den meisten Fällen nicht schwach, gestört, krank oder gar behindert.

In der Praxis kommt es durch Fehlschlüsse, die von Eltern und Lehrer gezogen werden, oft zu langen unnötigen Verzögerungen, bis das Kind auch auf pädagogisch-didaktischer Ebene eine entsprechende Hilfe bekommt.

Ein Grund dafür ist darin zu suchen, dass die nach Schulbeginn früher oder später auftretenden „Verhaltensausfälligkeiten“, die tatsächlich aber keine pathologischen sind von Eltern, nicht selten auch unterstützt durch den Rat von Lehrern, eher dazu neigen, Psychologen oder Ärzte aufzusuchen. Ein weiterer Grund dafür ist auch, dass viele Laien „schon irgendwo oder irgendwann gehört haben, dass Menschen die Schreib-, Lese- oder Rechenprobleme haben, krank sind“. Die etwas einseitige Definition (ICD-10)  für den Gesundheitsbereich bezüglich der Problematik ist daran maßgeblich beteiligt. Eine pädagogisch-didaktische Intervention wird darin nicht in Erwägung gezogen.

Deshalb werden die Probleme beim Schreiben, Lesen oder Rechnen die das Kind hat auf das veränderte „krankhafte“ Verhalten des Kindes zurückgeführt. Tatsächlich ist es aber so, dass diese Kinder Hilferufe an die Erwachsenen senden, die aber nicht immer richtig gedeutet und verstanden werden.

Betroffene Kinder können einfach mit den in der Schule angebotenen Methoden nicht das leisten, was von ihnen verlangt wird und zeigen es intuitiv durch, sagen wir einmal eigenwilliges Verhalten. Der Vorgang geht also umgekehrt vor sich, durch das Fehlen von geeigneten Methoden und die ständige Überforderung des Kindes, kommt es schließlich zu einem vom Umfeld nicht erwünschten Verhalten und fehlenden Leistungen im Schriftspracherwerb oder im Rechenbereich.

Das heißt also, dass sie individuelle Ansätze benötigen, um das Schreiben, Lesen und Rechnen zu erlernen. Dabei können aber Psychologen und Ärzte nicht behilflich sein. Weshalb die Hilfe bei den Pädagogen, die sich mit den Besonderheiten von Schreib-, Lese oder Rechenproblemen schwerpunktmäßig beschäftigen, immer zuerst gesucht werden sollte. Bei zusätzlichen körperlichen oder psychischen Verhaltensauffälligkeiten werden selbstverständlich entsprechende Spezialisten der Gesundheitsebene gefordert sein, damit ein umfassender Erfolg erzielt werden kann.

Ein weiterer Fehlschluss trägt dazu bei, dass diese Kinder gar nicht selten fehldiagnostiziert werden. Legasthene/dyskalkule Kinder zeigen im Zusammenhang mit dem Schreiben, Lesen oder Rechnen auch eine zeitweise Unaufmerksamkeit oder auch Unruhe, die aber bei anderen Tätigkeiten des täglichen Lebens nicht vorhanden sind. Findet also keine pädagogische Förderdiagnose, sondern nur eine Diagnostik durch die Gesundheitseben statt, so passiert es , dass die Symptome als Krankheitsbilder des Attention Deficit Disorder oder des Attention Deficit Hyperaktivity Disorder gedeutet werden. Den Kindern wird eine Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsstörung oder noch zusätzlich eine Hyperaktivität oder eine isolierte Hyperaktivität bescheinigt. Im schlimmsten Falle werden diesen Kindern sogar Medikamente verabreicht. Es gibt kranke Kinder, die tatsächlich diese Medikamente benötigen, damit sie ein halbwegs normales Leben führen können.

Legasthenen/dyskalkulen Kindern ohne besagte Krankheitsbilder hingegen sollten keine Medikamente verabreicht werden, wenn sie lediglich eine zeitweise Unaufmerksamkeit oder Unruhe, bei Schreib-, Lese- oder Rechentätigkeiten zeigen, die tatsächlich Eigenarten dieser Menschen sind, und vermutlich durch eine ständige Überforderung, unbewusste Versagensängste etc. zustande kommen, nicht aber als pathologisch zu werten sind. Es wäre zwar einfach zu sagen, dass es ein Leichtes ist die Krankheitsbilder und die ähnlichen Verhaltensweisen legasthener/dyskalkuler Menschen zu unterscheiden, jedoch sei nur soviel gesagt, dass Krankheiten nicht nur zweitweise auftreten und diese Tatsache ist als wesentlicher Unterschied zu werten.

Noch einiges zu Intelligenztests, die noch immer dazu benützt werden, eine Legasthenie/LRS oder Dyskalkulie/Rechenschwäche festzustellen. Speziell legasthene/dyskalkule Menschen die differente Sinneswahrnehmungen haben, schneiden bei diesen Standardtestverfahren zumeist schlecht ab, weil die Testbatterien hauptsächlich anhand von Sinneswahrnehmungsleistungen den Intelligenzquotienten bestimmen. Tatsächlich sind aber differente Wahrnehmungen nicht das Produkt mangelnder Intelligenz, sondern lediglich darin bedingt, dass das Gehirn visuelle oder auditive Eindrücke anders verarbeitet. Nicht alle Testbegleiter, beziehen diese besonderen Umstände in die Testinterpretation mit ein, weshalb es zu Fehldiagnosen kommt, die unweigerlich schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben. Die Intelligenz darf man nie anhand von Schreib-, Lese- oder Rechenleistungen messen!

Lese-, Rechtschreibtests bringen verlässliche Ergebnisse, wenn Schreib-, Leseprobleme erworben worden sind, anders bei legasthenen Kindern. Diese bringen nicht ständig schlechte Leistungen, weil sie von der jeweiligen Verfassung des Kindes abhängig sind. So sind zumal verblüffend gut, alles hängt davon ab, wie es um die Aufmerksamkeit beim Schreiben oder Lesen steht. Ist diese gut, so werden sich kaum Fehler zeigen, ist diese schlecht, dann wird genau das Gegenteil der Fall sei. So passiert es tatsächlich, dass ein legasthene Kinder LRS-Tests fast fehlerfrei machen und werden gleichzeitig die über Wochen oder Monate geleisteten Ergebnisse nicht überprüft, Testbegleiter zu dem Fehlschluss kommen, dass die Kind keine Schreib- oder Leseprobleme hat.

 

Allgemeines zur AFS-Methode

 

Die AFS-Methode (Aufmerksamkeit-Attention, Funktionen-Function, Symtom-Symptom) ist ein pädagogisch-didaktischer Förderansatz für Menschen mit Legasthenie, Dyskalkulie oder anderen Schreib-, Lese- oder Rechenschwierigkeiten.

Die AFS-Methode wurde ausgehend von der Tatsache entwickelt, dass legasthene und dyskalkule Menschen eine andere Informationsverarbeitung aufweisen – die sich lediglich beim Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens bemerkbar macht – und deshalb eine andere Lernfähigkeit haben. Das Ziel bei der Entwicklung dieser speziellen Methode, die Menschen mit Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen eine individuelle Förderung ermöglichen soll, war es, pädagogisch-didaktisches Handeln besser zu beschreiben und planbar zu machen, um damit einen Beitrag zur Professionalisierung zu leisten.

Die Entwicklung der AFS-Methode erfolgte auch im Hinblick auf die immer größer werdende Diskrepanz zwischen der Wissenschaftsentwicklung mit einer zunehmenden Fülle an empirischen Forschungsergebnissen und immer neuen unbewältigten Praxisproblemen. Es ist erstrebenswert und von großer Bedeutung, zwischen der Wissenschaft und der Praxis einen Bezugspunkt zu schaffen. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse sollen für die praktische Arbeit mit Betroffenen umgesetzt werden. Die AFS-Methode stellt einen neuen modernen Weg der pädagogischen Förderung bei Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen dar!

In Studien, die im Rahmen pädagogischer Forschung durchgeführt worden sind, hat man herausgefunden, dass bei einem Teil der Menschen, die von Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen betroffen sind, die alleinige vermehrte Förderung am Symptom, d.h. an den Fehlern, nur eine geringe oder gar keine Wirkung zeigt, also nicht erfolgreich ist. Besonders dann, wenn die Verursachung im biogenetischen Bereich liegt, wenn also eine Legasthenie und Dyskalkulie vorhanden ist, ist eine verstärkte Förderung alleine im Schreib-, Lese- und Rechenbereich in Form von Mehrübung nicht ausreichend. Die Beobachtung von Betroffenen und die daraus gezogenen Schlüsse haben maßgeblich zur Erkenntnis beigetragen, dass besonders drei Bereiche zu fördern sind. Deshalb verbindet die AFS-Methode spezielle Elemente, welche eine umfassende Förderung gewährleisten. Sie bietet Hilfestellungen in den Bereichen, welche legasthenen/dyskalkulen Menschen Probleme bereiten.

 

Umfassende Methode

 

Die AFS-Methode wird als eine umfassende bezeichnet, weil in allen Bereichen, in denen legasthene/dyskalkule Menschen Schwierigkeiten haben, eine gezielte individuelle Förderung erfolgt. Die AFS-Methode legt auch einen Schwerpunkt auf das multisensorische Lernen, das Lernen mit allen Sinnen. Das Training nach der AFS-Methode enthält drei Schwerpunkte, auf die sich die Fördermaßnahmen beziehen: Die Verbesserung der Aufmerksamkeit beim Schreiben, Lesen und Rechnen In der Aufmerksamkeitsfokussierung liegt ein wesentlicher Schwerpunkt der Förderung. Legasthene/dyskalkule Menschen haben Probleme, die Aufmerksamkeit gezielt auf Buchstaben und Zahlen zu lenken und dort zu halten. Dieser Umstand spielt also eine wesentliche Rolle, dass der Schreib-, Lese- oder Rechenerlernprozess nicht problemlos vonstatten geht.

Die Aufmerksamkeitsfokussierung bei der Schreib-, Lese- oder Rechentätigkeit ist aber eine Notwendigkeit, um das Schreiben, Lesen oder Rechnen zu erlernen. Mit der Verbesserung der Aufmerksamkeit bessert sich auch die mit einer zeitweiligen Unaufmerksamkeit beim Schreiben, Lesen und Rechnen einhergehende Unruhe, die manche Betroffenen zeigen. Die zweitweise Unaufmerksamkeit und Unruhe wird oftmals mit Krankheitsbildern wie Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsstörungen und Hyperaktivität verwechselt, wobei aber übersehen wird, dass diese Menschen diese Symptome nur beim Schreiben, Lesen oder Rechnen aufweisen und nicht in anderen Situationen.

Die Verbesserung der Sinneswahrnehmungsleistungen, welche für ein erfolgreiches Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens notwendig sind das Funktionieren der Sinneswahrnehmungen – dies ist in der Wissenschaft schon seit mehr als einem Jahrhundert, wie schon erwähnt, bekannt -, welche man für das Schreiben, Lesen und Rechnen benötigt, ist eine weitere Notwendigkeit, damit der Schreib-, Lese- und Rechenerlernprozess problemlos vonstatten geht. Das Funktionieren der Basissinne stellt einen wesentlichen Faktor beim Erlernen des Schreibens, Lesens und Rechnens dar. Ein gezieltes individuelles Training ist also auch in der Verbesserung der Sinneswahrnehmungsleistungen – besonders im optischen und im akustischen Sinneswahrnehmungsbereich inklusive der phonologischen Bewusstheit und in der Raumwahrnehmung – notwendig.

Mittels bildgebender Verfahren, entwickelt von den Neurowissenschaftern, wurde nachgewiesen, dass die Nutzung unterschiedlicher Sinne beim Lernen auch unterschiedliche Gehirnareale aktiviert und dass eine möglichst vielseitige Aktivierung einzelner Bereiche dazu beiträgt, Informationen besser zu speichern und sich wieder daran zu erinnern. Der Lerneffekt ist also besser, wenn die Sinne geschärft eingesetzt werden.

Die Verbesserung der Schreib-, Lese- und Rechenleistungen, also die Verbesserung auf der Symptomebene. Ein Gesamterfolg kann aber nur erzielt werden, wenn dem Training an der Symptomatik, also im Schreib-, Lese- oder Rechenbereich selbst, eine ausreichende Bedeutung beigemessen wird. Dabei ist darauf zu achten, dass auf die jeweiligen Bedürfnisse der Betroffenen Rücksicht genommen wird. Ein gezieltes und individuelles Training muss also auch in diesem Bereich erfolgen.

 

Offene Methode

 

Das Konzept der AFS-Methode beinhaltet, dass einerseits die Bereiche der Förderung, wie beschrieben, vorgegeben sind, andererseits trotzdem eine völlige Offenheit gegenüber anderen bewährten Ansätzen, welche Menschen mit Schreib-, Lese- oder Rechenproblemen helfen, besteht. So kann die AFS-Methode durch eine Vielzahl anderweitig für legasthene oder dyskalkule Menschen entwickelter und erprobter Methoden angereichert werden.

Jeder sinnvolle Ansatz, der zur Verbesserung einer der drei Teilbereiche führt, kann integriert werden. Die vorgeschriebenen Strukturen und die frei wählbaren Teile ermöglichen, dass in der Förderung völlig auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Betroffenen eingegangen werden kann. Alle Komponenten können so ineinander wirken und sich ergänzen, und damit wird die optimale Förderung garantiert.

 

Langzeitstudie über die Wirksamkeit der AFS-Methode

 

Die Daten und Fakten der Langzeitstudie, die zwischen den Jahren 2001 und 2006 mit 3370 Probanden durchgeführt worden ist, bestätigen die Wirksamkeit der Methode. 85% der Probanden verbesserten ihre Schreib-, Lese- und Rechenleistungen kontinuierlich im zweijährigen Beobachtungszeitraum und konnten somit die Anforderungen in der Schule erfüllen.