Einen der Schwerpunkte im Zusammenhang mit dem Legasthenietraining stellt die sinnliche Wahrnehmung dar, deren physiologische Verarbeitung hier näher untersucht werden soll, um einen Einblick in den darauffolgenden Lernprozess zu gewähren, der als Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen dienen soll. All das, was die menschlichen Sinnesorgane an Informationen aufnehmen, landet zunächst im Gehirn, wobei die meisten Informationen nicht so interessant und wichtig sind, dass sie wirklich behalten, also im Gedächtnis gespeichert werden. Alle Informationen, die von den Sinnesorganen aufgenommen werden, landen über Nervenimpulse vorübergehend im so genannten Wahrnehmungsspeicher des Gehirns, der die erste Stufe der Speichermöglichkeiten darstellt.
Wenn das menschliche Individuum kein besonderes Interesse an diesen Informationen zeigt, so werden diese bereits nach zwanzig Sekunden wieder gelöscht, da sie als unwichtig beziehungsweise nicht speichernswert klassifiziert werden. Der Wahrnehmungsspeicher wird somit auch als Ultrakurzzeitgedächtnis bezeichnet, das für das menschliche Gehirn insofern als Schutzschild fungiert, als eine riesige Menge von Sinneseindrücken nicht dauerhaft gespeichert werden muss, was zu einer Überforderung führen könnte. Damit nun aber eine Information, die weitergegeben wird, im Langzeitgedächtnis eines Lernenden beziehungsweise eines Schülers gespeichert wird, muss sie das Interesse desjenigen wecken und Gefühle auslösen, die Lust auf das Lernen machen, indem sie vielleicht an schon Bekanntes oder an Erfahrungen des Schülers anknüpfen.
Durch ständiges Wiederholen und Einüben kann dieser Lernprozess vertieft werden, damit dem „Vergessen“ von Gelerntem vorgebeugt werden kann. Wie schon erwähnt, gehen die Informationen, die im Wahrnehmungsspeicher gelandet sind, nach etwa zwanzig Sekunden verloren und sind für immer vergessen, während das Kurzzeitgedächtnis Informationen im Minutenbereich speichert, bevor auch diese danach vergessen werden. Das Langzeitgedächtnis dagegen hebt die gesammelten Informationen langfristig, eventuell sogar für das ganze Leben auf. Allerdings ist nicht alles, was im Langzeitgedächtnis gespeichert wird, gleich wichtig und deshalb auch nicht jederzeit abrufbar, sodass diese Informationen zu dem passiven Wissen gerechnet werden, das im Gegensatz zum aktiven Wissen nicht sofort aktivierbar ist. Für den Pädagogen ist es unter diesem Aspekt besonders wichtig, auch auf das passive Wissen des Schülers zurückzugreifen und es zu aktivieren.
Da es im Gehirn spezielle Kanäle für das Schreiben, Sprechen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken und Sehen gibt, kann der Schüler alle zur Verfügung stehenden Kanäle beim Lernen nutzen, um sich den Lernstoff gut einprägen zu können.
Jeder Schüler lernt bevorzugt über einen Kanal, wobei man in diesem Zusammenhang auch von unterschiedlichen Lerntypen sprechen kann. Der visuelle Lerntyp bevorzugt die Informationsaufnahme über das Sehen, während der auditive Lerntyp seine Informationen über das Hören und Sprechen speichert.
Vermutlich sind aber die meisten Menschen nicht eindeutig einem bestimmten Lerntyp zuzuordnen, sodass es für den Pädagogen wichtig erscheint, unterschiedliche Kanäle bei der Vermittlung von Lerninhalten zu nutzen, damit den Schülern das Lernen und dauerhafte Speichern leichterfällt. Außerdem besteht für den Pädagogen die Möglichkeit, über das so genannte gehirngerechte Lernen Einfluss auf den Lernerfolg zu nehmen.
Das Gehirn besteht aus einer linken und einer rechten Hälfte, denen jeweils eine bestimmte Funktion zukommt. Während die linke Gehirnhälfte für digitale Funktionen zuständig ist, wie zum Beispiel für Zahlen, Sprache und Strukturen, so ist die rechte Gehirnhälfte für Bilder, Fantasie, Intuition und Gefühl zuständig. Obwohl zwischen beiden Gehirnhälften eine Verbindung besteht, nutzen viele Menschen aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihrer Vorlieben meist nur den linken Teil des Gehirns. Als Pädagoge muss man davon ausgehen, sowohl rechts orientierte als auch links orientierte Schüler vor sich zu haben, sodass es wichtig ist, einen Lernstoff so zu vermitteln, dass er beide Gehirnhälften gleichermaßen anspricht. Werden also beispielsweise Daten und Fakten weitergegeben, sodass die linke Gehirnhälfte gefordert ist, so sollte gleichzeitig ein Beispiel oder ein Bild angeführt werden, das die rechte Gehirnhälfte aktiviert.
Ideale Lernbedingungen findet man also dann vor, wenn beide Gehirnhälften beim Lernprozess angesprochen werden. Gerade die zu wenig genutzte rechte Gehirnhälfte der Schüler erreicht man über konkrete Beispiele und Bilder, sodass durch die unterschiedliche Nutzung der Lernkanäle das Lernen erheblich leichterfällt und auch gehirngerecht funktionieren kann.
Um dem Schüler das Aufnehmen, Speichern und Verarbeiten der neuen Informationen zu erleichtern, sollte der Unterricht schwerpunktmäßig sinnvoll strukturiert sein, sodass der Lernstoff durch Visualisierung veranschaulicht wird und das Gelernte durch Wiederholungen vertieft werden kann.