Anmerkungen zum Einschulungsscreening, dem sich ab 2021 jeder zukünftige Schulanfänger in Österreich unterziehen muss
Viele Leute wissen noch nicht, dass 2021 ein neu entwickelter Schulreifetest für alle Schulanfänger verpflichtend werden soll, der zur Zeit in einer Probephase an einigen Schulen in Österreich stattfindet.
Das Konzept dieses Schulreifetests ruft jedoch bei Fachleuten, die auf pädagogisch-didaktischer Ebene mit Kindern arbeiten, berechtigterweise größtes Unbehagen hervor! Der entwickelte Test verursacht bei Fünfjährigen eine Überforderung und damit eine Demotivation, die mitunter negative Folgen für die gesamte Schulzeit haben kann.
Die meisten Kinder freuen sich auf die Schule, weshalb dieses destruktive Screening noch vor Schulbeginn im Sinne der Kinder abzulehnen ist. Man muss bedenken, dass sich die Kinder vorher noch nie in einer Testsituation befunden haben. Beim ersten Kontakt mit der Schule eine Anforderung an die Kinder zu stellen, die sie nicht erfüllen können, ist in keinem Fall zu befürworten. Selbst Kinder, die absolut keine Probleme in ihrer Entwicklung aufweisen, können sich mit den Anforderungen des Testverfahrens nicht zurechtfinden.
Ein Testverfahren, das Fünfjährige zum Weinen bringt, macht wohl keinen Sinn!
In einem Einschulungstest sollten jene Bereiche erkundet werden, die grundsätzliche Voraussetzungen für eine Schulreife sind, wie zum Beispiel die Ausdauer eines Kindes, damit es im Schulbetrieb problemlos mitarbeiten kann. Keinesfalls sollten Fragen gestellt werden, die inhaltlich erst im Lehrplan der Grundschule stehen und demnach erst dann von den Kindern erlernt werden sollen.
Die Argumentation, dass mit diesem Screening der Förderbedarf von Kindern festgestellt werden soll, ist schwer nachzuvollziehen. Die Einschulung hat eigentlich den Zweck, dass alle Kinder gefördert werden! In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, was mit jenen Kindern passiert, die z.B. in Sinneswahrnehmungsbereichen Schwierigkeiten haben! Wie wird dies in dem Screening berücksichtigt? Fehldiagnosen sind somit vorprogrammiert, wodurch den Kindern Schaden zugefügt wird.
Im Testverfahren werden z.B. die Fünfjährigen danach gefragt, welche Zahl nach 73 kommt! Kein fünfjähriges Kind kann diese Frage von sich aus beantworten. Gehen die Entwickler gar davon aus, dass die Kinder auf das Screening vorbereitet werden? Damit wäre aber die Chancengleichheit zu hinterfragen.
Das Argument, dass sich das Testverfahren erst in der Entstehungsphase befindet, lässt tief blicken. In keiner Phase dürfen solche schweren Fehler passieren. Kinder sind doch keine Versuchskaninchen!
Für die Kinder soll in Zukunft also dieser Test die erste Prüfung sein, die sie erleben. Die Folgen sind damit aber unabsehbar. Es stellt sich auch die Frage, welchen Sinn das gesamte Testverfahren macht, wenn man dabei die Kinder auch noch unter Zeitdruck setzt.
Gespräche, wie sie bis dato von erfahrenen Pädagogen geführt worden sind, wären einem Screening absolut vorzuziehen, denn alle Kinder sind individuelle Geschöpfe, und dieses Screening, das alle Teilnehmer über einen Kamm schert, kann die Vielschichtigkeit einer Persönlichkeit nie und nimmer berücksichtigen.
Es wäre wünschenswert, dass sich mit der Erstellung solcher Testverfahren Fachleute befassen, die nicht nur die theoretischen Grundlagen der Entwicklungspsychologie mitbringen, sondern vielmehr über eine langjährige Erfahrung in der praktischen Arbeit mit Kindern verfügen. Diese Fachleute würden Fünfjährige mit ihren Leistungsanforderungen nicht zum Weinen bringen und ihnen damit die Lust auf die Schule verderben.
Danke für Ihren Einsatz Frau Dr. Kopp-Duller!
Auch dank Ihres Einsatzes: Die Kleine Zeitung von 19.2.2020 berichtet, dass das Bildungsministerium einen Rückzieher macht und diesen Vorschultest nicht mehr verpflichtend verlangt.
https://www.kleinezeitung.at/kaernten/5770518/50-Kaerntner-Schulen-betroffen_Mitten-in-der-Schuleinschreibung